Der Name leitet sich ab von „aloka“, womit im Singhalesischen „Lichtschein“ gemeint ist. Es ist mit langem „A“ am Anfang das altindische Wort für „Blicken“ oder auch „Einsicht“. Mit kurzem „a“ hieße „a-loka“, das bedeutet Jenseits oder gar Weltuntergang.
Das Alu-Vihara liegt direkt an der Hauptstraße durch die Inselmitte von Dambulla nach Kandy, etwas nördlich von Matale. Touristenbusse kommen hier üblicherweise entlang, ohne zu stoppen, weil es tatsächlich nichts kunsthistorisch Bedeutendes zu sehen gibt. Doch wer Zeit hat, sollte das Aluvihara unbedingt aufsuchen. Erstens liegt es recht malerisch in einer Felsengruppe. Zweitens ist dieser Ort, wenn man der singhalesischen Tradition Glauben schenkt, der Schauplatz eines kulturgeschichtlichen Ereignisses von Weltrang, nämlich der erstmaligen Verschriftlichung der ätesten Heiligen Texte des Buddhismus, des Tipitaka-Kanons.
1971 wurde das Aluvihara zum Nationalheigtum erklärt. Brahmi-Inschriften belegen das hohe Alter des Höhlenklosters (Foto). Als der Singhalesen-König Vattagamani 103 v.Chr von Tamilen aus Anuradhapura vertrieben worden war, soll es zu einer Zeit größter Bedrängung im ganzen Land gekommen sein. Hungerkatastrophen hätten die Menschen bis in den Kannibalismus getrieben. Viele Mönche seien geflohen, nach Indien oder in die Berge, so zum Aluvihara. Das alte Hauptkloster Mahavihara in Anuradhapura lag in jener Zeit verlassen. Der Buddhismus drohte auf der Insel auszusterben. 89 v.Chr endlich konnte Vattagamani die Hauptstadt zurückerobern. Es gab nun aber kaum noch Mönche, um die alten Sutras mit den Lehrreden Buddhas oder die Ordensregel Vinaya zu tradieren. Angesichts der Katastrophe und der anhaltenden südindischen Bedrohung und der bewusst gewordenen Gefahr, mit den Mönchen auch deren Kenntnisse der mündlich überlieferten Buddhaworte zu verlieren, habe, so berichten die Chroniken, der König zur Rettung des Buddhismus alle erreichbaren Mönche zum vierten buddhistisch Konzil eingeladen. 500 Mönche, die gleiche Anzahl wie beim allerersten Konzil kurz nach Buddhas Tod, als die Buddhaworte im mündlichen Vortrag gesammelt worden waren, kamen nun aus allen Ländern zusammen. Um die Lehre Dharma für die Nachwelt zu sichern, haben sie Buddhas Worte (im Aluvihara?) erstmals schriftlich niedergelegt. In 3 Jahren, 3 Monaten und 3 Wochen sei so das Tipitaka entstanden, der „Dreikorb“ in Pali-Sprache, Heilige Schrift der Theravada-Buddhisten und grundlegender Teil auch der Kodizes aller anderen Gruppierungen des Buddhismus.
Eine historisch-kritische rekonstruierte Version der Abfassungsgeschichte fällt nüchterner aus. König Vattagamani, mit dem Zunamen Abhaya, hatte, zurück auf Anuradhapuras Thron, eine bestimmte Mönchsgruppe im alten Kloster Mahavihara unterstützt und, als die dort nicht mehr gelitten war, für sie das neue Großkloster Abhayagiri gegründet, eigentlich ein Sakrileg, denn das Nebeneinander zweier Mönchsgemeinschaften am gleichen Ort, die nicht mehr gemeinsam ihre Rituale abhalten, gilt im Buddhismus als Schisma. In den folgenden Jahren könnte darum das Tipitaka im gedemütigten Mahavihara entstanden sein, um dessen Tradition in einer Zeit der Bedrängung durch das singhalesische Königshaus schriftlich zu fixieren.
Im Gelände des Aluvihara kann man einige Höhlen mit bemalten Wänden besichtigen, die jüngerem Datums sind. Schaurig ist eine Höhle mit Höllen-Szenen (Foto). In der Manier eines Wachsfigurenkabinetts werden sehr anschaulich diverse Bestialitäten als Höllenstrafen für Sünder vorgeführt. Z.B. Prostituierte werden an den Beinen aufgehängt und dann, angefangen im Genitalbereich, blutig zerhackt. Solche Gruselkabinette findet man in vielen Tempelarealen Sri Lankas. Im Buddhismus kennt man durchaus eine Hölle. Wer das Grundübel Hass auslebt, auf den wird dies nach dem Karma-Gesetz zurückschlagen in Form von Wiedergeburt in so einer Hölle. Allerdings verweilt man dort nicht wie im Christentum in Ewigkeit, sondern zeitlich befristet, bis man nach Abarbeiten des schlechten Karma oder wegen guter Führung anschließend als Tier oder Mensch wiedergeboren werden kann. Im Mahayana-Buddhismus steht zudem Avalokiteshvara bereit, um sogar in der Hölle Trost zu spenden oder die schlimmste Pein abzunehmen, aber in der Religiosität Sri Lanka spielt diese letztere Vorstellung kaum eine Rolle .
Eine schönere Aussicht, nämlich ins dicht bewaldete nördliche Bergland, genießt man am besten von der kleinen weißen Dagoba auf der Spitze eines der Felsen (siehe Hauptfoto oben).
Außerdem ist natürlich der Besuch des Palmblattmanuskript-Museums im Aluvihara ein Muss. Das heutige Kloster des Aluvihara unterhält eine berühmte Schreibstube, in der Mönche die Heiligen Schriften auf traditionelle Weise niederschreiben, eben auf Palmblättern. Diese Schreibstube kann normalerweise nicht besucht werden, da die Mönche natürlich nicht gestört werden dürfen, denn ihre wichtigste Aufgabe ist ja gerade die Wahrung der Originaltexte, und dabei ist das Hauptanliegen das Vermeiden von Schreibfehlern. Aber in einem eigenen Gebäude, das ist für Besucher ein kleines Museum untergebracht, in dem die Erstellung von Palmblatt-Manuskripten dokumentiert ist und von einem Angestellten, gegen ein Trinkgeld, auch vorgeführt wird. Man sieht, wie die Ola-Palmblätter zunächst präpariert und poliert werden. Der eigentliche Schreibvorgang erfolgt dann mit einem kleinen Griffel, mit dem die Oberfläche des Blattes nur eingeritzt wird. Man kann danach die Buchstaben noch kaum erkennen. Erst wenn anschließend eine Paste aus Ruß und Öl eingerieben wird, wird der Text gut sichtbar, denn die schwarze Farbe dringt nur in die Ritzungen ein, kann aber von der glatten Oberfläche des übrigen Ola-Blatts (Foto) ohne Rückstände wieder abgerieben werden. Durch die schmal-rechteckigen Palmblätter werden danach nahe den seitlichen Rändern zwei Löcher gebohrt, durch die zwei Schnüre geführt werden, um die Palmblätter in der richtigen Reihenfolge aneinandergereiht zu halten. Diese Schnüre werden an zwei Holzbalken befestigt, die etwa so groß sind wie die Palmblätter und über und unter dem Blattstapel gewissermaßen als Einband dienen, der durch Schnitzereien geschmückt werden kann. Palmblätter sind eine der sichersten Konservierungen von Schrift. Sie sind weit langlebiger als Papier und sind nach Jahrhunderten mindestens so gut lesbar wie Dokumente auf Papyrus oder Pergament. Die Schnur-Bindung ist allerdings weniger zuverlässig. Manche alte Texte scheinen dadurch in Unordnung geraten zu sein, dass die Blätter nach Aufschlagen der Bücher nicht in der richtigen Reihenfolge wieder zusammengebunden wurden.
Das Museumsgebäude ist übrigens eine Stiftung des früheren Königs Sihanouk von Kambodscha. Kambodscha ist eines der vier Länder mit einer Bevölkerungs-Mehrheit von Theravada-Buddhisten. Für sie sind die Pali-Texte des Tipitaka, die im Aluvihara verschriftlicht worden sein sollen, ihre Heiligen Schriften, so dass das Aluvihara als Schauplatz des entsprechenden - nach theravada-buddhistischer Zählung - Vierten Konzils ein besonderes Ansehen genießt. Zum Fünften und Sechsten Konzil, die im 19. und 20. Jahrhundert in Birma abgehalten wurden, versammelten sich Mönche aus den vier großen Theravada-Nationen Birma, Thailand, Kambodscha und Sri Lanka. Hauptaufgabe solcher buddhistischen Konzilien sind nicht Klärungen von Fragen der Lehre, sondern Sicherung der Textgestalt des Tipitaka-Korpus. Wie schon auf dem legendären Ersten Konzil nach dem Tod des Buddha werden zu diesem Zweck alle Teile des Korpus mündlich vorgetragen. Sie gelten als korrekt wiedergegeben, wenn kein Konzilsteilnehmer Einspruch erhebt. Auch das Fünfte Konzil in Mandalay widmete sich dabei wieder der Aufgabe der Verschriftlichung: Der Gesamttext des Tipitaka wurde damals zur dauerhafteren Konservierung in mehrere hundert Steintafeln graviert.
Das Aluvihara ist Besichtigungspunkt folgender hier angebotener Rundreisen: "Kultur pur", "Kultur classic", "Kultur total" und "Natur total".
Reiseveranstalter ist die Firma
No. 80/b, Lewis Place,
Negombo,
Sri Lanka |