Betont wird der Ortsname Yapahuwas auf der ersten Silbe. Andere Schreibweisen für Yapahuwa sind Yapahuva, Yapahu oder Yapawwa. Man kann diesen heutigen Ortsnamen etwa als „hervorragender Berg“ übersetzen. Eine Felsinschrift nahe dem Gipfel, die noch aus vorchristlicher Zeit stammt, nennt den Ort Sundaragiripawwa, was in etwa „schöner Felsenberg“ heißt. Viele weitere Inschriften in den alten Brahmi-Lettern fand man an zwei Dutzend der etwa vierzig bearbeiteten Felsüberhänge, die auch in Yapahuwa als Mönchsunterkünfte dienten, wie sie für die Anuradhapurazeit so typisch sind.
Yapahuwa, ein 90m hoher Granitkoloss (Foto) etwa 10 km südöstlich des Bahnknotenpunkts Maho, gilt manchen Reisenden als eine Art zweites Sigiriya, wenngleich von bescheideneren Dimensionen. Was landschaftlichen Reiz und Außergewöhnlichkeit der historischen Stätte angeht, ist die Parallele nicht ganz von der Hand zu weisen. Und eine Ähnlichkeit besteht ebenfalls hinsichtlich der Vielzahl dessen, was es zu sehen gibt.
Außer dem für Sri Lanka einzigartigen Treppenaufgang, der manch einen an Khmer-Tempel oder an Maya-Pyramiden erinnern mag, gibt es gut erhaltene Festungsanlagen sowie eine Felshöhle mit Kandymalereien und einer Bronzestatue aus dem 13. Jahrhundert. Daneben wird bald ein Museum für Ausgrabungsfunde eröffnet. Und wer einen Aufstieg vom Schwierigkeitsgrad wie in Sigiriya nicht scheut, den belohnt das Gipfelplateau mit einem der bleibendsten Eindrücke, die man sich von einer Reise in die Tropen wünschen kann (Foto). Denn Yapahuwa ist anders als Sigiriya kein bisschen überlaufen, obwohl es doch einer der spannendsten Orte der Insel ist. Eine soche Fülle an Attraktionen in solcher Stille genießen zu können, das zusammen macht Yapahuwa gewiss zum höchstkarätigen Highlight einer Studienreise ins Kulturdreieck.
Am Fuße der Ostseite des Felsens befindet sich das heutige Kloster Yapawwa Rajamaha Vihara (Foto), das sich neben dem Nationalen Archäologischen Department der Pflege der gesamten Ausgrabungsstätte widmet. Die Gebäude lehnen sich wie bei so vielen Höhlenklöstern eng an den Felsen an. Ursprünglich waren diese Grotten Unterkünfte von Einsiedlern, doch in der Kandyzeit wurden die ehemaligen Wohnräume oft umgewandelt in Kulträume. Aus der Mönchszelle namens Kuti wurde dann ein sogenanntes Bilderhaus, ein Pathimagara, weil es fortan von den Statuen geprägt wurde. In der späten Kandyzeit ist diese Kulthöhle Yapahuwas dann neu ausgemalt worden.
Man betritt diese Haupt-Kulthöhle des Klosters durch einen Vorbau, der sich an Felsen anzulehnen scheint, in Wirklichkeit aber in ihn weiter hinein führt. Der Vorbau ist jüngeren Datums und zeigt das gewohnte Ensemble von schreiend bunten Buddha-Figuren (Foto). Diese Kitschfiguren sind typisch für solche Tempel Sri Lankas, die bis heute genutzt und darum erweitert und erneuert wurden. Man will eben das Heiligtum immer nach dem neuesten Geschmack "verschönern". Für Kunstreisende sind solche Acryl-Buddhas ein Ärgernis, aber wenigstens der Fotograf mag an den grellen Farben seine Freude haben.
Man blickt dann vor einen herabhängenden Teil des Felsens, der leuchtend blau angemalt ist und große gelbe Kreise als Symbole für Sonne und Mond zeigt. Dieser Teil der Felsfresken mit auffallend kräftigen Farben stammt angeblich aus der jüngeren Kandy-Zeit, wahrscheinlich aber erst aus der Kolonialzeit. Die im Dämmerlicht der Höhle zunächst kaum zu erkennenden Malerein dahinter sind originale Kandy-Malereien (Foto). Ocker-Töne herrschen vor, auch die für Kandy-Malereien untypische blaue Farbe ist aber deutlich zu erkennen. Nach hinten wird die Höhle wieder etwas breiter.
Den Abschluss der Höhle bildet in einer Art Felskapelle eine große Sitzfigur des Buddha (Foto) in der üblichen Samadhi-Mudra, der sehr verbreiteten Geste der Meditation, flankiert von einem Stehenden Buddha, der die Hände segnend erhebt. Die Sitzfigur könnte noch älter sein als die Kandyzeit, da sie nicht die übliche Lack-artige Bemalung des Kandystils aufweist, für die auf der Statue erst eine Grundierung über einem Textilüberzug gelegt wurde. Die gelben Farbreste, die man heute an der Felsfigur sieht, dürften indes von sehr viel späteren Restaurierungen herrühren. Blumenschmuck und andere Gaben zeugen davon, dass Dorfbewohner und Pilger die Kulthöhle weiterhin aufsuchen, um hier ihren Bräuchen gemäß unblutige Opfer zu bringen.
Neben dem großen stehenden Buddha sieht man eine kleinere Bronzefigur (Foto) eines weiteren stehenden Buddha. Es handelt sich dabei um eine ungewöhnlich große Bronzearbeit, und zwar noch aus dem 13. Jahrhundert, also aus der Zeit der Erbauung der Felsenstadt Yapahuwa. Kunstgeschichtlich ist dies die bedeutendste Attraktion der Klosterhöhle. Die besten Bronzeplastiken, die auf der Insel gefunden wurden, stammen aus der Polonnaruwa-Zeit, sind also noch etwas 100 Jahre älter, allerdings handelt es sich dabei um hinduistische Götterskulpturen und nicht wie hier um eine Buddhastatue. Es ist nicht klar, ob die Hindu-Bronzen in Sri Lanka hergestellt wurden oder Importstücke vom Festland waren. In Südindien hat die Bronzekunst eine lange Tradition und erreichte ihren Höhepunkt unter den Cholas um die Jahrtausendwende. Die Bronzen Sri Lankas stehen gewiss unter deren Einfluss, wenn sie nicht sogar wie gesagt in Indien gefertigt wurden. Jedenfalls sind sie ein Beleg für die anhaltenden künstlerischen Kontakte zu den tamilischen Nachbarn auf dem Festland. Der hiesige Bronzebuddha stammt aus einer Zeit solcher direkten politischen Einflussnahme Südindiens (s.u).
Reste einer antiken Klosteranalage noch aus der Anuradhapurazeit wurden auf dem Gipfelplateau gefunden, darunter ein Badeteich, ein kleiner Stupa (Foto) und Fundamente eines Baumtempels (Bodhigara). Yapahuwa als die älteste besiedelte Felsenspitze des Landes. Allerdings handelte es sich trotz des klangvollen Namens "schöner Felsenberg" in der klassischen Zeit wohl nie um ein bedeutendes Heiligtum.
Die Chroniken erwähnen Yapahuwa erst für das frühe 13. Jahrhundert unter dem Namen Subhagiri. Der Namensgeber Subha war ein General des von Polonnaruwa nach Südwesten ausgewichenen Singhalesenkönigs zu einer Zeit, als die vormalige Hauptstadt Polonnaruwa samt der Kronreliquie Heiliger Zahn und vor allem der entlegene Norden der Insel in der Gewalt des berüchtigten Königs Magha waren (1215-36), eines Usurpators aus der indischen Landschaft Kalinga am Golf von Bengalen. Kalinga-Magha, wie er auch genannt wird, hat mit Hilfe südindischer Söldnertruppen eine verheerende Invasion Sri Lankas unternommen. Magha war einer der wenigen indischen Invasoren, der die buddhistischen Heiligtümer Sri Lankas nicht mit Respekt behandelte, sondern zerstörte. Mit Maghas Schreckensregime beginnt der Untergang des Kulturdreiecks als Herrschafts- und überhaupt als Siedlungsschwerpunkt der Insel, der allerdings außer dieser brutalen Invasion noch andere, strukturelle Gründe hatte, die vor allem zur Verwahrlosung der Bewässerungswirtschaft führten, genauer: dazu, dass anders als nach früheren verheerenden Überfällen nun erstmals das alte Irrigationssystem nicht wieder instand gesetzt wurde. Ergebnis dieser Aufgabe der uralten Bewässerungsanlagen war, dass das historische Zentrum der Insel, das alte Königsland Rajarata, endgültig aufgegeben wurde und zu einem öden und malariaverseuchten Landstrich verkam, der mehr und mehr zu einer Trennlinie zwischen den neu entstehenden Bevölkerungsschwerpunkten im Südwesten und im äußersten Norden wurde. Weitere Invasoren aus Südostasien und Indien konnten in dieser Zeit im äußersten Norden eigene Reiche gründen. Als neuartig und prägend für die weitere Landesgeschichte erwies sich: Die aus Südindien wie seit eh und je einsickernden Neusiedler blieben von nun an im Norden isoliert für sich, wurden nicht mehr in die singhalesische Kultur integriert wie in den Jahrhunderten zuvor, sondern prägten fortan mit ihrer mitgebrachten hinduistischen Kultur den Norden. Und so bildete sich im 13. Jahrhundert ein eigenes tamilisches Siedlungsgebiet um die Halbinsel Jaffna, das heutigen tamilischen Separatisten als historischer Anknüpfungspunkt für Unabhängigkeitsforderungen dient.
Mitten in diese bewegte Zeit des gravierendsten Umbruchs in der Geschichte Sri Lankas fällt die Gründung der Residenz Yapahuwa, die wir heute sehen. Dabei trat an die Stelle der alten Eremitensiedlung eine planmäßig neu angelegte Festungs- und Palaststadt, ganz ähnlich wie im Falle Sigiriyas 800 Jahre zuvor. Im 13. und 14. Jahrhundert dienten auch andere Felsenfestungen südwestlich des Kulturdreiecks kurzzeitig als neue Hauptstädte, so zunächst Dambadeniya und später Kurunegala. Doch alle diese Orte wie auch die noch späteren Hauptstädte Sitavaka und Kotte im Feuchtgebiet oder Gampola im Bergland sind heute weiterhin dicht besiedelt und zeigen kaum noch Spuren ihres einstigen Festungscharakters. Anders sieht es in Yapahuwa aus, das von allen diesen kurzlebigen Residenzen des Mittelalters am nächsten am alten Kernraum Rajarata gelegen ist und bald dessen Schicksal teilte, nämlich über Jahrhunderte verlassen lag. Yapahuwa ist darum gewissermaßen die einzige bedeutende mittelalterliche „Burganlage“ der Singhalesen, die bis heute weitgehend in ihrem originalen Zustand erhalten ist, wenn man einmal von der - noch antiken - Festungsstadt Sigiriya absieht. Und es handelt sich bei Yapahuwa sicher um die bedeutendste historische Stätte aus dieser epochalen Umbruchszeit des 13. Jahrhunderts, die wie gesagt das Ende des Kulturdreiecks und den Beginn der ethnischen Spaltung Sri Lankas markiert.
Vor diesem kriegerischen historischen Hintergrund wird es den Besucher nicht erstaunen, hier einen doppelten Wallring anzutreffen. Dessen innerer Ring aus gut behauenen großen Granitquadern (Foto) wies sogar noch Spuren von Kampfhandlungen auf. Der Graben um den äußeren Wall sowie die Stadttore sind noch gut erkennbar. An drei Seiten umgeben diese Befestigungen hufeisenförmig die sogenannte Innere Stadt, bei der es sich um keine große Siedlung, sondern eher eine Art Königshof gehandelt haben wird. Die Mauern enden jeweils an dem Granitfelsen von Yapahuwa, der selbst damit die vierte, nördliche Seite der Befestigungsanlage bildet.
Überrascht wird der Besucher dann aber von der Hauptsehenswürdigkeit der kleinen Stadtanlage. Genau im Zentrum des Areals, am Südabhang das Granitfelsens, liegt die bei weitem prächtigste Freitreppe der Insel (Foto). Sie erhebt sich aus dem Urwald fast in der Art einer Mayapyramide. Dieser wunderbare Treppenaufgang stammt nicht mehr aus der Zeit des Generals Subha, der den Yapahuwa-Felsen vor allem als Wachtturm gegen den Invasoren Magha genutzt haben dürfte. Sondern wie die Befestigungsanlagen ist die Prachttreppe ein Werk aus dem späten 13. Jahrhundert. Sie stammt also genau aus jener Zeit, als Yapahuwa unter Bhuvenaika Bahu I. für etwa ein Jahrzehnt zur neuen Hauptstadt des Landes wurde, Sitz des Königs und seines Herrschaftssymbol, der Zahnreliquie, die bereits sein Vorgänger von den Invasoren zurückerobert hatte. Diese Prachttreppe ist so außergewöhnlich für Sri Lanka, dass sie Anlass für vielfältige Interpretationen wurde.
Zunächst einmal ist gar nicht klar, wohin sie überhaupt führte. Die Treppe endet vor einem kleinen Zwischenplateau auf etwa 30m Höhe, auf dem man aber kaum Spuren einer ähnlich aufwändigen Bebauung mehr findet. Vielleicht stand hier ein Palast aus Holz, das seit dieser Umbruchszeit vermehrt auch für tragende Bauteile in der Architektur Sri Lankas Verwendung fand. Vielleicht aber war dieser Holzbau gar kein Königspalast, sondern selbst der Staatstempel für den Heiligen Zahn, obwohl als Zahntempel Yapahuwas meist ein unscheinbarer Steinbau in der Nähe der Stadtmauern ausgegeben wird.
Das zweite Rätsel sind die stilistischen Vorbilder für diese Prachttreppe. Schön reliefierte Balustraden an Eingangstreppen findet man an vielen Tempelaufgängen der älteren Anuradhapura- und der Polonnaruwa-Bauten. Doch schon die Dimensionen dieses Treppenaufgangs von Yapahuwa sind in Sri Lanka beispiellos. Auch die Art der Balustradendekoration (Foto) unterscheidet sich von der klassischen Inselarchitektur. Dort waren es meist die krokodilähnlichen Makaras, deren Zungen gewissermaßen das obere Geländer bildeten. An der Yapahuwatreppe sehen wir oben statt der Makaras aber löwenartige Phantasiewesen mit überlangen Zungen, die Gajasimhas, d.h. "Elefantenlöwen". Noch weit auffälliger sind aber die beiden vollplastischen Löwenfiguren, die den Treppenweg auf halber Höhe flankieren. Sie gelten als die großartigsten Löwenskulpturen des "Löwen-Volkes", d.h. der Singha-lesen.
Die besser erhaltene der beiden (Foto) ist als eine Art singhalesisches Wahrzeichen auf der 10-Rupies-Note Sri Lankas abgebildet. Die offene Frage ist nun, ob diese reich geschmückte große Treppenanlage einfach eine Weiterführung von südasiatischen Vorbildern ist, wie man sie z.B. ebenso an den etwa gleichaltrigen Treppenaufgängen der berühmten Hoysalatempel Südindiens findet. Anklänge an südindische Vorbilder zeigt vor allem der Tordurchgang am oberen Ende der Prachttreppe.
Die Säulen (Foto) dieses Torportals erinnern stark an Indien. Der etwas massivere hintere Teil der Säule übernimmt ihre tragende Funktion, während der Vorderteil der Säule zum Träger nur der dekorativen Elemente wird. Diese dekorativen Details sind dann freilich wieder singhalesisch: Den frontal abgebildeten hockenden Löwen, der die Säule zu tragen scheint, kennen wir bereits vom Manik Vihara in Polonnaruwa. In Yapahuwa wirken die Figuren aber plastischer und vor allem lebendiger. Manche Löwen scheinen sich geradezu aufzurichten.
Klassisch singhalesisch ist das Relief-Motiv über den beiden seitlichen Fenstern des Torpavillons, der von Elefanten gebadeten Göttin Lakhshmi (Foto), noch dazu eingerahmt von den Bögen der Makara-Toranas, die an keinem Tempel Sri Lankas fehlen. Die erquickte "Gajalakhshmi" ist seit den Anfängen der buddhistischen Kunst ein Symbol für die freudvolle Geburt des Buddha. Hier in diesem Tympanon in Yapahuwa ist sie zusätzlich eingerahmt von Bändern von Tieren und Rankenwerk, fast an einen Mondstein erinnernd.
Unter diesen Reliefbögen fand man außergewöhnliche Fenster (Foto), die heute im zur Zeit nicht fertig gestellten Yapahuwa-Museum bzw. im Nationalmuseum in Colombo verwahrt werden. Es sind kunstvoll verzierte und durchbrochene, fast gitterartig wirkende Steinfenster, gehauen aus Granit-Monolithen, mehr als einen Quadratmeter groß. Diese lichtdurchlässigen Steinplatten findet man auch anderswo in Sri Lanka, allerdings nie so fein gearbeitet wie in Yapahuwa. Noch weit aufwändiger als die besagten Steinfenster Yapahuwas sind jedoch die zeitgleichen Steinfenster der besagten Hoysala-Tempel auf der indischen Halbinsel Dekkhan, die hier, vielleicht indirekt, das Vorbild gewesen sein könnten.
Das "indischste" Detail des Treppenbaus aber ist ihr zugleich schönstes und berühmtestes Relief-Motiv: Die variantenreichen Darstellungen von Tänzerinnen und Musikern (Foto), eher höfische Szenen als religiöse Darstellungen. Obwohl an jüngeren Hochlandtempeln nachgeahmt, sind die Musik- und Tanz-Abbildungen Yapahuwas zweifellos die gelungensten der alten singhalesischen Kunst. Dergleichen findet man sonst nur in Indien. Die Reliefplatten Yapahuwas zeigen ein Dreierensemble von zwei Musikern und einer Tänzerin in der Mitte. Jede ist individuell gestaltet.
Doch es gibt die alternative Theorie, ob nicht für diese Gesamtanlage noch viel ähnlichere Vorbilder einer nur viel weiter entfernten Weltgegend Pate gestanden haben: die Khmer-Tempel Südostasiens. Kontakte nach Südostasien gab es auf vielerlei Weise zur Zeit der Anlage dieser neuen Hauptstadt Yapahuwa. Kurz nach Magha war der Herr des Inselnordens ein weiterer Invasor, nämlich Chandhrabhanu aus Tambralinga, wie die Chroniken berichten. Die historische Landschaft Tambralinga liegt im heutigen Südthailand und war ein unmittelbarer Nachbar des direkten Herrschaftsgebiets der Khmer, der kulturell sicher unter Khmer-Einfluss stand. Chandrabhanu war Kriegsgegner des Vaters und vielleicht auch noch des Bruders Bhuvenaika Bahus. Doch zu jener Zeit, d.h. zur Dambadeniya-Zeit Mitte des 13. Jahrhunderts, gab es außerdem noch einen viel freundschaftlicheren Kontakt nach Südostasien. Es war nämlich die Zeit, in der das erste große Thai-Königreich mit der neuen Hauptstadt Sukothai im heutigen Zentralthailand sich durch Abschüttelung der Khmer-Oberherrschaft bildete. Die Thai-Könige nahmen mit den Singhalesenherrschern Sri Lankas Kontakt auf, um Reliquien zu erwerben und den Theravada-Buddhismus als Religion des jungen Staates zu etablieren. Vor allem durch die Gesandtschaften der Thai könnten die Singhalesen in Kontakt mit den Architektur-Vorstellungen Südostasiens gekommen sein. Auch in Südostasien kannte man z.B. Steingitterfenster und Darstellungen von Tanzszenen. Aber vor allem die hohe und steile Gesamtanlage erinnert sehr viel mehr als an Indien an die Tempelberge von Angkor in Kambodscha: die riesigen Treppen mit in Etagen gegliederten Balustraden, vor allem deren reiche Verzierung mit Akroterien und insbesondere der vollplastische Löwe als Hauptfigur dieser Balustradendekoration ist gerade an Tempeltürmen Angkors vielfach anzutreffen.
Überhaupt war Bhuvenaika Bahu I. sehr an internationalen Kontakten interessiert. Die Chroniken berichten, dass er 1283 sogar eine Expedition nach Ägypten geschickt hat, um mit dem Sultan in Kairo einen Freundschaftspakt auszuhandeln. Noch besser belegt sind aber die Beziehungen nach China, das zu jener Zeit unter der Herrschaft des Mongolen Kubilai Khan stand. Dieser soll, allerdings vergeblich, eine Gesandtschaft nach Ceylon geschickt haben, um die Almosenschale Buddhas zu erwerben. Kontakte mit China, sicherlich auf dem Seewege um Südostasien, sind auf der Insel kaum irgendwo besser archäologisch belegt als in Yapahuwa. Hier fand man mit die schönsten Exemplare von chinesischer Keramik in Sri Lanka, von denen drei noch an Ort und Stelle im kleinen Museum aufbewahrt sind. Und in der Nähe der Stadttore von Yapahuwa grub man mehrere Gefäße mit chinesischen Münzen aus, die geradezu das Zahlungsmittel der Yapahuwa-Zeit gewesen zu sein scheinen, so wie es einst römische Münzen und deren Nachahmungen in Sigiriya waren. Insgesamt fanden sich weit über 1000 chinesische Münzen in Yapahuwa.
Die Zeit nach dem Tode Bhuvenaikabahus 1284 liegt etwas im Dunkeln. Sicher ist, dass Yapahuwa von fremden Truppen erobert wurde und der singhalesische Königshof um 1300 seinen Sitz weiter südlich in Kurunegala hatte.
Die wahrscheinliche Rekonstruktion der Ereignisse nach Bhuvenaika Bahus I. Tod ist jedoch sehr spannend und aufschlussreich. Erinnern wir uns: Es ist die Zeit der Verödung des Kulturdreiecks und des Beginns eines tamilisch geprägten neuen Siedlungsschwerpunkts im äußersten Norden. Die Chroniken Sri Lankas berichten, dass kurz nach dem Tod des Yapahuwa-Königs die Stadt von tamilischen Invasoren erobert und die Zahnreliquie nach Südindien verschleppt worden ist. So steht der Untergang Yapahuwas für die erste große Niederlage der Singhalesen am Beginn einer Zeit ethnischer Kriege, könnte man denken - so man denn in nationalen Denkkategorien befangen bleibt. Bei genauerem Hinsehen ist der Untergang von Yapahuwa aber eher der Gegenbeweis gegen die Projektion von "ethnischen Konflikten" in eine solche ferne Vergangenheit.
Die Floskel von den "Jahrhunderte alten" Konflikten wird von modernen Nationalisten beider ethnischen Gruppen im heutigen Sri Lanka mit vagen Anknüpfungen an die Geschichte so fest geglaubt, wie sie von westlichen Medien immer wieder leichtfertig herangezogen wird, um den Anschein einer "langen Vorgeschichte" oder einer "historischen Tiefendimension" der heutigen Konflikte zu erwecken. Mit solchen scheinbar historischen Herkunftsgeschichten aktueller Probleme kann man immer auf das Kopfnicken des Publikums bauen, aber sagt zu den Ursachen der Probleme in Wahrheit kaum etwas Erhellendes - wenn nicht sogar Irreführendes:
Beim Untergang von Yapahuwa geschah etwas völlig anderes als eine Art frühe ethnische Auseinandersetzung. Den Historikern fiel auf, dass die buddhistischen Chroniken vom Raub der Zahnreliquie nahezu ohne Jammern, ja sogar so gut wie frei von Verdammung der Räuber berichten, obwohl sie bei den Verurteilungen des (nicht-tamilischen) Invasoren und Zahnreliquien-Erbeuters Magha ein halbes Jahrhundert zuvor nicht zimperlich sind und obwohl der Verlust der Zahnreliquie der schlimmsten nationalen Katastrophe gleichkommt, die für Singhalesen überhaupt denkbar ist. (Der Uva-Aufstand gegen die Briten im 19. Jahrhundert brach umgehend zusammen, als die Briten eher zufällig in den Besitz der Zahnreliquie gelangt waren und damit als neue Inselherrscher legitimiert schienen.) Unter Hinzuziehen der Inschriften der tamilischen Pandya-Könige Südindiens, die damals die Invasion nach Yapahuwa durchführen ließen, lässt sich ein Hergang der Ereignisse vermuten, der sich um ethnische Differenzen in Wahrheit am allerwenigsten kümmerte. Südindische Tamilen eroberten und zerstörten Yapahuwa und verschleppten die Nationalreliquie der Singhalesen, ja, das stimmt. Aber sie kämpften in Yapahuwa wahrscheinlich gar nicht mehr gegen Singhalesen, sondern - ausgerechnet! - gegen ihre "ethnischen Brüder", nämlich gegen die Tamilen des Nordreichs auf Sri Lanka. Wahrscheinlich hatten diese Yapahuwa vorher besetzt und dabei die Zahnreliquie bereits für sich in Beschlag genommen. Aber wie bereits ein halbes Jahrhundert zuvor intervenierten die südindischen Tamilen gegen die Inseltamilen, als diese ihnen auf Sri Lanka zu mächtig wurden. Die südindischen Pandya-Könige betrachteten nämlich sowohl die Herrscher der Tamilen im Norden als auch die der Singhalesen im Südwesten als ihre Vasallen. Eigenmächtigkeiten von welcher der beiden Seiten auch immer sahen die indischen Tamilenkönige des Pandya-Geschlechts als Bedrohung ihrer Oberherrschaft an. Genau deswegen waren sie als tamilische Ordnungsmacht schon zuvor, in der Jahrhundertmitte, dem Singhalesenkönig (!) Parakramabahu II. von Dambadeniya zu Hilfe geeilt und verhalfen ihm und seinem Sohn gegen das Tamilenheer (!) von Chandrabhanu zum Sieg und zur Rückeroberung (!) der Nationalreliquie für die Singhalesen. Die gleiche Allianz südindischer Tamilen mit den geschwächten Singhalesen Sri Lankas tat sich nun erneut zusammen, um gegen die Tamilen Nordceylons einzuschreiten, die mit der Eroberung Yapahuwas zu dominant zu werden drohten. Vereinte Kräfte der Singhalesen- und Tamilenkönige kämpften in Yapahuwa also schon zum zweiten Mal gegen eine tamilische Söldnerarmee in Diensten auswärtiger Invasoren aus Südostasien. Und so ließen es die Singhalesen fast klaglos gewähren, dass das Heer der verbündeten Tamilen die wieder zurückgewonnene Zahnreliquie in ihr indisches Gewahrsam mitnahm, wo bald darauf Parakramabahu III. sie auf dem Verhandlungswege für sein singhalesisches Königreich wieder ausgehändigt bekam. Gegen die südostasiatischen Usurpatoren hingegen, die mit tamilischen Söldnern den Norden Sri Lankas kontrolliert hatten, gingen die tamilischen Pandya-Herrscher Südindiens nun rigoros vor. Sie beendeten deren Herrschaft und setzten die Anführer ihrer Interventionsarmee als loyalere neue Statthalter für den Inselnorden ein: die Aryachakravartins, aus denen sich später das Königshaus der Jaffnatamilen entwickelte.
Die Bündnisse zwischen Singhalesen und südindischen Tamilen gegen andere Tamilenreiche haben übrigens - anders als "ethnische Konflikte" - tatsächlich eine lange Tradition. Zur Anuradhapurazeit verbündete sich der singhalesische König, und zwar in wechselnden Allianzen, mit Tamilenkönigen des Festlands gegen diejenigen tamilischen Königreiche, die gerade aktuell am mächtigsten waren, etwa so wie Großbritannien mit wechselnden Verbündeten auf dem Festland Europas gegen die jeweilige europäische Vormacht kooperierte. Und die Soldaten, die die Anuradhapura-Könige gegen tamilische Invasionsheere zum Einsatz brachten, bestanden meist ihrerseits aus tamilischen Söldnern in singhalesischen Diensten. Die Volkszugehörigkeit war für die Freund-Feind-Grenzen nämlich in vorkolonialen Zeiten überhaupt nicht ausschlaggebend, sondern die Loyalitäten galten den Geldgebern, der Kaste und den Führungspersonen der eigenen kleinen Söldnerschar. Auch der Yapahuwa-König Bhuvenaika Bahu I. selbst kam nur mit Hilfe indischer Söldner an die singhalesische Macht, war doch sein Bruder und Vorgänger von einem putschenden singhalesischen General ermordet worden, gegen den Bhuvenaika Bahu um die Krone erst kämpfen musste.
Die - zugegebenermaßen etwas verwickelte - Geschichte des 13. Jahrhunderts, das zu Recht als formative Phase der kulturellen Teilung der Insel in singhalesisch und tamilisch dominierte Regionen angesehen wird, zeigt also bei etwas genauerer Betrachtung: Auch in dieser Zeit treffen wir Tamilen in Machtkämpfen keineswegs nur als erbitterte Gegner auf der Insel an, sondern wie in der Anuradhapura-Zeit als willkommene Alliierte sowie als Soldaten der Singhalesen!
Eine etwa zweistündige Besichtigung ist Teil aller drei von uns angebotenen Studienreisen mit kunstgeschichtlichem Schwerpunkt: "Kultur pur" einwöchig, "Kultur classic" zweiwöchig und "Kultur total" dreiwöchig.
Reiseveranstalter ist die Firma
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